Tony Caulfield hatte wohl ein Stück mit Helmut Halfmann gearbeitet und einen Nachruf verfasst. Ist wirklich lesenswert und auch aufschlussreich im Bezug auf das Wirken und Schaffen des Helle Halfmann.
Quelle
http://www.tonycaulfield.com/writing-ar ... lfmann.htm
Ein persönlicher Nachruf
Obgleich wir beide all die Jahre über in Otterbach (einem kleinen Dorf bei Kaiserslautern) gewohnt hatten, begegnete ich "Helle" - wie Helmut Halfmann im Freundeskreis genannt wurde - im Jahre 2004 zum ersten Mal.
Einer unserer damals gemeinsamen Freunde, der Musiker und Designer Michael Korotschenko, welchen ich bereits einige Jahre zuvor kennenlernte, hatte mir angeboten mich an einem gemeinsamen Projekt der damals entstehenden Künstlergruppe Isch Art zu beteiligen. Unter dem Namen Art Rimbaud Project sollte ein Album mit Songs basierend auf französisch-, englisch- und deutschsprachigen Versionen von Gedichten des Französischen Poeten Arthur Rimbaud (20.10.1854 - 10.11.1891) entstehen.
Zu Isch Art gehörten damals neben Michael "Mischa" Korotschenko auch der Musiker und Medien(Künstler) Martin Diehl, der Musiker und Musikproduzent Uwe Henke, der Verleger und Mitbegründer des Halfmann & Scheidel Verlags Roland Scheidel, später auch die in Frankreich aufgewachsene Mathematikerin (und heutige Ehefrau Roland Scheidels) Aline Verney und der Solarunternehmer Morten Stefan Lanzenstiel. Und von Anfang an gehörte Helle Halfmann dazu.
Wir trafen uns eines Abends im Studio von Helles und Rolands Haus in Otterbach, sprachen über das Projekt und nahmen einige Vocals auf. Helle saß dabei, gab mir Anregungen zum Sprechen der Texte und spielte später auf der Gitarre.
Wenige Tage danach erhielt ich eine E-mail von Helle; er wollte sich gerne nocheinmal mit mir alleine treffen. Bald darauf saßen wir in seiner Dachwohnung zusammen und plauderten. Helle erzählte mir von seinem bisherigen Leben, seinen Ideen, Büchern, Webprojekten (wie die von ihm selbst geschaffene und betriebene erste und seither größte und meistbesuchte Webcam Seite im Netz), seinen Erfahrungen als Kinobetreiber, seinen Erlebnissen als Koch und seiner Zeit als Musiker.
Er spielte auf der Gitarre für mich und sang...unter anderem in Jiddisch und Texte von Walther von der Vogelweide in Mittelhochdeutsch. Soweit (bzw. sowenig) ich das beurteilen konnte, beherrschte er diese Sprachen perfekt. Wie er das gelernt habe? "Ja, da muß man sich ranhalten", sagte er.
Während dieses ersten Treffens mit ihm alleine schenkte er mit ein Sachbuch über Serienkiller. Er arbeitet damals an seinem Romanprojekt Das Honigmeer, das von Serienmördern handeln sollte und war zu dieser Zeit tief in die Materie eingetaucht. Es existierte bereits eine eigene Website namens Wildweb Tabloid, im Rahmen seines Webprojektes wildweb.de. Dort konnte man die Illustrationen der cooperierenden Graphikerin und Künstlerin Gwendolyn Capitain betrachten, welche teils Charaktere aus dem Buch zeigten und öffentlich die E-mail-Korrespondenzen der beteiligten Künstler(innen) lesen.
Ob die - Irisch-stämmige? - Schriftstellerin "Myjhnâ Mullen" als Co-Autorin je tatsächlich existiert hatte oder nur eine marketingwirksame Kunstfigur und Erfindung Helles gewesen war, darüber konnte er sich grinsend in Schweigen hüllen. Ich glaube die Story selbst entsprang völlig seinem eigenen Genie und einer weltenschöpfenden Phantasie, welche er selbst oft als Segen und Fluch zugleich beschrieben hatte.
Helle besaß nach eigenem Bekunden die Gabe, sich seine Geschichten so plastisch zu visualisieren, so tief in seinen Welten einzutauchen, daß er großen und verdienten Erfolg damit hatte; doch auch seine oft düsteren Gedanken und Empfindungswelten waren gleichsam übergroß.
Als ein Mainstream Hollywood Film in einem fast unheimlichen Maße Ähnlichkeiten mit seinen unabhängigen, eigenen Ideen für Das Honigmeer aufwies und es sogar eine Namensgleichheit mit einer von ihm erdachten Hauptfigur des Romans gab, traf ihn das so, daß er für ein Vollenden des Buches nicht mehr motiviert war. Schließlich entschloß er sich das Romanprojekt, irgendwann während der Zeit unserer folgenden Zusammenarbeit, zu canceln und löschte schließlich auch die Tabloid Website aus dem Netz. Er wollte nicht mehr daran erinnert werden.
In dieser Zeit rückte das Art Rimbaud Project mehr und mehr in den Mittelpunkt seines täglichen Schaffens. Helle setzte nur einen Song um: Eine brillante Vertonung von Rimbauds Vokale, welcher er mit seinem wunderschönen Gesang ein zu den Abessinienreisen Rimbauds passendes Flair verlieh und dazu meisterhaft Gitarre spielte.
Doch ist es vor allem ihm zu verdanken, daß diese als Musikprojekt begonnene Unternehmung mehr und mehr den Charakter eines Multimedia-Projektes annahm. Über fast zwei Jahre hinweg trafen Helle und ich uns meist zweimal die Woche in seiner Wohnung und arbeiteten an der offiziellen Website für das Projekt.
Es war Helle's Energie, Unnachgiebigkeit und Leidensfähigkeit beim Erlernen des Programmes "Flash", welcher es im wesentlichen zu verdanken ist, daß nun das gesamte Leben Arthur Rimbauds als flash-animierte Biographie, auf 21 einzelne Clips verteilt - und dies jeweils in deutscher und in englischer Sprachversion - online zu sehen ist.
Michael Korotschenko hatte die Studioaufnahmen gemacht in denen ich Arthur Rimbaud die Stimme lieh und Helle schoß die Photos von mir als Rimbaud, verwendete sie zusammen mit zahllosen gesammelten Bildern und Graphiken zur Komposition der Flash-Bio, worin der wirklich anspruchsvolle Teil der Arbeit bestand.
Ich saß dabei und habe viel von ihm gelernt, wie auch seine Kraft bewundert, nach unzähligen Rückschlägen im Kampf mit dem nicht sehr benutzerfreundlichen Programm doch immer wieder weiterzumachen bis die Biographie vollendet war. Doch Helle wollte weitermachen; als nächstes ging es an ein animiertes Menue für die Website, das die Besucher(innen) "zum Spielen" animieren sollte.
Wir arbeiteten monatelang daran und nach der Fertigstellung der ersten Version verwarf Helle alles, um von vorne anzufangen und eine bessere Arbeit abzuliefern. Helle war Perfektionist. Was die Qualität seiner Arbeit anbelangte, so ging er keine Kompromisse ein - zurecht! Und er konnte seine Arbeit, in den Momenten in denen er sie - selbstkritisch wie er oft war - für gut befunden hatte, auch standhaft und mit der Emotionalität eines Vollblut-Storytellers rigoros verteidigen - auch zurecht!
Doch bei all seinem Einsatz vergaß er nie die Pausen. Die waren ihm - glaube ich rückblickend - so wichtig wie die Arbeit selbst, denn sie waren erfüllt von Gesprächen wie ich sie sehr selten mit Menschen führen durfte. Helle dachte eigenständig - was mehr ist als wohl die meisten Menschen, von denen er sich zu dieser Zeit bereits weitgehend zurückgezogen hatte und an deren Güte er nur zurecht oft zweifelte, von sich sagen können - und er dachte tiefgehend.
Helle war von starken Überzeugungen erfüllt und scheute sich nicht diese auch zu äußern, sich mit den schwierigen Themen dieser Welt auseinanderzusetzen. Und Helle konnte trotz allem was er wahrnahm und oft sehr intensiv als deprimierend, gar höllisch empfand...lachen! Ja, Helle hatte Humor! Von einer ganz eigenen Sorte sicherlich, doch er drang durch seine Worte und Texte hindurch, während unserer langen Gespräche wie auch in den zahllosen E-mail-Konversationen die wir die zwei Jahre hindurch geführt hatten. Ich habe sie in drei Word Dateien archiviert...und keine davon faßt weniger als 200 Seiten.
Auch bis einige Zeit nach dem Abschluß des Art Rimbaud Project, mit der Veröffentlichung des Doppel-CD Albums und dem Launch der vollendeten Website, blieben wir stets in Kontakt und tauschten uns über das Leben aus.
Im Jahre 2006 wurde dieser Kontakt, der für mich (und ich wage zu denken: auch für Helle) zu einer echten Freundschaft geworden war, jäh zerstört. Eine Person die er gerade mal 2-3 Monate lang gekannt haben konnte, hatte ihm aus nie wirklich geklärten Gründen heraus abstruse Lügen über mich erzählt und seine unbändige Phantasie mußte ihm diese Dinge noch um ein vielfaches abscheulicher erscheinen gelassen und letzlich über seine herausragende Kommunikationsfähigeit triumphiert haben, so daß er schließlich jeden Kontakt zu mir abgebrochen und offenbar bis an sein viel zu frühes Lebensende in der falschen Überzeugung gelebt hatte, ich hätte diese abscheulichen Dinge wirklich getan.
Nach der Zeit unserer dergestalt erzwungenen Trennung arbeitete Helle - der nach dem Abi einmal Koch gelernt und die Liebe zum äußerst creativen Kochen nie verloren hatte - unter anderem an einem mit lustigen Zeichnungen illustrierten Kochbuch für Kinder (Arbeitstitel: Die WildWeb Küchenschaben).
Die Presse spricht zudem von einem neuen, "400 Seiten starken" Roman mit dem Titel Das Kind im Schnee, an welchem Helle offenbar noch bis kurz vor seinem Tode gearbeitet und den er fast vollendet hatte.
Mach's gut, Helle. :-(
Es war eine schöne Zeit die wir zusammen verbrachten; ich bin traurig, daß Du nicht mehr da bist und, daß unsere Freundschaft auf diese bizarre Weise irreparabel zerstört worden war...und dennoch - trotz allem was danach kam - froh Dich gekannt zu haben.
Da wo Du jetzt bist - auch wenn Du wohl nie geglaubt hast, daß sich die Frage nach dem "wo" jetzt noch stellen würde - da sind Friede und alle Wahrheiten.
Dort ist alles klar; und hier ist alles verziehen.
cu,
tony
Ein Teil von Helmut Halfmanns Werk ist auf seiner Website wildweb.de zu sehen.
Kondolenzen finden sich auf diesem Forum der AquaNox Fangemeinde.
Ein Photo von Helle möchte ich hier nicht veröffentlichen; er mochte es nicht Photographien von sich zu sehen.
Mein Beileid an seine wahren Freunde und Angehörige.