Wie bereits in einem anderen Thread angekündigt, veröffentliche in Rahmen dieses Forums das erste Kapitel meiner als Roman konzipierten Geschichte aus der Welt von Aqua. Ich kann nur hoffen, dass er Euch gefällt. Bisher konnte ich noch nicht auf den harten Flair eines Emerald "Dead-Eye" Flint eingehen, aber ich möchte auch Nicht-Fans dazu bewegen, sich mit der Thematik auseinander zu setzen. Deswegen ist vieles für den eingefleischten Fan sicherlich altbekannt und... langweilig. Allerdings habe ich mir Mühe gegeben, das Werk Helmut Halfmanns auf meine bescheidene Art und Weise fortzusetzen. Mit diesen einleitenden Worten wünsche ich viel Spaß beim Lesen.
@Corny
Sobald ich Zeit habe, veröffentliche ich die Geschichte natürlich auch auf Tales of Aqua. Wenn sie gut ankommt, dann werden alle weiteren Kapitel dort veröffentlicht.
In Erinnerung an Helmut Halfmann, dem Vater, dem Schöpfer
Wie und warum ich meine Methode, so lange unter Wasser zu bleiben, wie lange ich es ohne zu essen aushalte, nicht aufschreibe...
...und ich will sie nicht veröffentlichen und verkünden wegen der böswilligen Natur der Menschen, die in den Tiefen des Meeres Mord verüben würden, indem sie die Schiffe von unten aufbrechen und versenken würden mit allen Menschen darin.
Codex Leicester, Leonardo da Vinci (1452-1519)
Pro-Log
In den frühen zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts, als die fossilen Brennstoffe auf der Erde zunehmend knapper wurden und ein vorzeitiges Ende der natürlichen Ressourcen mehr und mehr abzusehen war, begannen die Menschen, Jagd auf die noch verbliebenen Rohstoffe auf dem Grund der Meere zu machen. Die meisten Industrieländer errichteten innerhalb kürzester Zeit Tiefseestationen vor ihren Küsten, in denen Ingenieure und Arbeiter anfingen dem Meer mit Hilfe modernster Technologien seine Schätze zu entreißen. Doch die Erträge waren bei weitem nicht ausreichend, um den großen Bedarf der Industrienationen zu decken. Als die Bodenschätze an der Oberfläche endgültig zu Neige gingen, begann eine Zeit der zivilen Unruhe und der um sich greifenden Zerstörung. Im Kampf um die letzten noch vorbliebenen Rohstoffe zerbrachen Bündnisse, entzweiten sich Länder und entbrannten alte Konflikte aufs Neue.
Mit wachsender Grausamkeit und Sinnlosigkeit vernichteten die Kriegsparteien jegliche Lebensgrundlage auf der Erdoberfläche. Nukleare Waffen vollendeten jene flächendeckende Zerstörung, die dem Menschen durch seine industriellen Ausdünstungen bislang nur unvollständig gelungen war. Als schließlich auch der letzte Funken Hoffung auf ein Überleben der Menschheit auf der Oberfläche des Planeten erloschen war, flüchtete man sich in die Tiefen der Ozeane.
Aus den mittlerweile erweiterten Abbaustationen wurden so innerhalb weniger Monate die letzte Zuflucht all derjenigen, die das Glück hatten, den hohen Preis für den Eintritt in die Welt unter Wasser bezahlen zu können. Zurück blieben Millionen der Ärmsten der Armen, zu Tode verurteilt in einer verwüsteten, von Radioaktivität verseuchten Welt. Durch die zahllosen atomaren Explosionen begannen die Polkappen abzuschmelzen, wodurch sämtliche Küstenlinien aufgrund des ansteigenden Meeresspiegel überflutet wurden. Eine mehr als vierzig Meter dicke Schicht aus abgestorbenem organischen Material, die sogenannte POM-Schicht, bedeckte von nun an die Meere. Sie umschloss die nördliche Halbkugel wie ein gespenstisches Leichentuch. Der massive Einsatz von Kernwaffen sorgte zudem dafür, dass sich ein dichter Partikelgürtel um den gesamten Erdball legte, den kein Sonnenstrahl zu durchdringen vermochte. Die Folge war ein nuklearer Winter, der dem Leben auf der Oberfläche den endgültigen Todesstoß versetzte.
Heute, im Jahr 2667, lebt die Menschheit in gigantischen Städten unter Wasser. Im Laufe der letzten sechshundert Jahre haben sich die alten Machtblöcke der Oberflächenzeit mehr oder minder unverändert wieder stabilisiert. Die Welt unter Wasser teilt sich auf in die Aquatorien der kapitalistischen Demokratie der Atlantischen Föderation, die oligarchisch verwaltete arabische Clansunion und das monarchistisch regierte russo-japanische Shogunat. Außerdem hat sich in der von wilden Stürmen und Unwettern an der Oberfläche zerwühlten Tornado Zone im Südostpazifik ein anarchistischer Haufen aus Söldnern, Piraten, Freibeutern und Gesetzlosen angesammelt. Immer dazu bereit, gegen ein entsprechend hohes Honorar Freund und Seele zu verkaufen. Hinzu kommen die freien Gebiete des argentinischen Beckens und des Golf von Florida, Heimat der EnTrOx Corporation, des mit Abstand mächtigsten Konzerns unter Wasser.
Die Menschheit versank in einer Finsternis ohne Geschichte. Und doch erhob Sie sich ein letztes Mal zu neuem Leben. Dem einzigen Leben in einer ansonsten toten Welt. Diese Welt war des Menschen Schöfung, und er taufte sie AQUA.
Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)
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Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)
Zuletzt geändert von Benny Spoon am Freitag 11. Februar 2011, 10:48, insgesamt 7-mal geändert.
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Re: Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)
Da ich übrigens davon überzeugt bin, dass ich eigentlich keinerlei Talent für's Schreiben habe, bin ich für jede Form der (konstruktiven) Kritik dankbar. Ach ja, wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten.
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Re: Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)
Licht
Hi Benny Spoon
Super Text. Mir gefällt vor allem, das von Dir ganz langsam Spannung aufgebaut wird. Klasse. Würde gerne mehr davon lesen.
Licht
Hi Benny Spoon
Super Text. Mir gefällt vor allem, das von Dir ganz langsam Spannung aufgebaut wird. Klasse. Würde gerne mehr davon lesen.
Licht
- Benny Spoon
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Re: Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)
Licht!
Grummel, was soll denn dieser Nike Air Blödsinn? Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass auf diese Weise meine Geschichte wieder nach oben rutscht.
Apropo... Ich habe zwar nicht wirklich weitergeschrieben (weil zu viel Ablenkung), aber zumindest das erste Kapitel noch mal überarbeitet. Hier die Neufassung.
I.
In den Schulen von heute lehrte man die Kinder zuallererst, dass 29,3% der alten Erdoberfläche aus Landmasse bestand. 70,7% davon waren allerdings von Wasser bedeckt. 62% der Meere und Ozeane erreichten dabei eine Tiefe von mehr als 1000 Meter. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bildete diese als Tiefsee bekannte Region über die Hälfte des für Mensch und Tier nutzbaren Lebensraumes auf dem Planeten Erde.
Heutzutage hatte die Menschheit leider bereits den über der Wasseroberfläche befindlichen Teil verloren. Die Wiege des Homo Sapiens war durch seine unermessliche Gier leichtfertig aufs Spiel gesetzt worden. Und bis jetzt schien er nicht dazu geneigt, auf die verbliebenen zwei Drittel besser aufzupassen. In einer Welt, in die niemals das Licht der Sonne vordrang, waren Söldner und Soldaten gefragter denn je.
Commander Geneviève Marie Beauvoir stellte die isolineare, dreidimensionale Kursanzeige des Navigationscomputers ein weiteres Mal auf das Brasilianische Becken ein, verglich noch einmal das Gezeigte mit den im Zentralrechner gespeicherten Seekarten, überprüfte mit fachmännischen Blick zu guter Letzt Sonarschirm, Atemgas- und Tiefenmesser, und gönnte sich ein zufriedenes Nicken, als das Routen-Diagramm in Form einer handvoll gelb- und blaueingefärbter Icons auf ihrem Heads-up-Display erschien. Alles an Bord ihres Schiffes schien in einem optimalen Zustand zu sein.
„Esox-Staffelführer, alle melden“, befahl die Offizierin ruhig und sachlich den fünf anderen Piloten ihrer leichten Eskort- und Grenzschutzstaffel.
Das hydroakustische Signal ihrer sich unter Wasser mit 1480 m/s viermal so schnell ausbreitenden Stimme erreichte in Echtzeit die nur wenige Hundert Meter entfernten, gemächlich über den sandbedeckten Meeresboden dahindümpelnden Ziele. In mehr als 6000 Metern Tiefe waren die Umrisse der Boote für das menschliche Auge jedoch nicht mehr zu erkennen.
Keines der einzelnen Farbspektren des weißen Sonnenlichtes drangen tiefer als 300 Meter vor. Das war eine unumstößliche Tatsache. Deswegen konnten Schiffe in der Tiefsee nur mit Hilfe von Neonscheinwerfern für ihre menschlichen Piloten sichtbar gemacht werden. Und genau deswegen verließ sich der Großteil der Kampfpiloten unter Wasser allein auf die schematisierte Umgebungsanzeige eines Voxelsonars. Alles weitere wurde auf das moderne Heads-up-Display eines Steuercomputers projiziert.
Das waren die Bedingungen für ein Leben in einer Welt ewiger Finsternis.
Nach und nach trafen die einzelnen Bestätigungsmeldung der übrigen Mitglieder von Beauvoirs Staffel als aus den Lautsprechern der Sendeanlage abgespielte Audiobotschaften ein. Diese Anlage, samt dem dazugehörigen Kommunikationssystem und der entsprechenden Unterwasser-Software, war ein fest integrierter, überlebenswichtiger Bestandteil jedweder Cockpitausrüstung. Ohne ausreichende Kommunikation untereinander würden die einzelnen Boote der Staffel sich mit ziemlicher Sicherheit irgendwann gegenseitig über den Haufen fahren. Das Steuern eines Schiffes in einem dreidimensionalen Raum mit einer von Scheinwerfern ermöglichten Maximalsichtweite von rund zehn Metern war kein Kinderspiel. Dazu waren ein ausgezeichneter Orientierungssinn, schnelle Reflexe, eine gute Ausbildung und jede Menge Mut von Nöten. Wer nicht über diese Qualitäten verfügte, hatte am Steuerruder eines Kampf-U-Bootes nichts zu suchen.
Eine tiefe Männerstimme brummte: „Esox Zwei, bereit!“
Eine scharfe, weibliche Stimme meldete: „Esox Drei, bereit!“
Zwei weitere, deutlich jüngere Frauenstimmen meinten gleichzeitig: „Esox Vier und Fünf, bereit!“
Der Commander wunderte sich nicht im geringsten über die Synchronität dieser Doppelantwort. Bei den beiden Pilotinnen des aus Esox Vier und Esox Fünf bestehenden Schwarms ihrer Staffel handelte es sich nämlich um in ganz Aqua sehr selten gewordene eineiige Zwillingsschwestern.
„Esox Sechs“, ging die letzte Meldung mit einem sehr deutlich zu hörenden Schluckgeräusch dazwischen ein. „Bereit!“
Beauvoir schmunzelte wissend. In den letzten zwei Monaten hatte sie diesen Laut desöfteren vernommen. Diese als letzte eingehende Meldung kam vom frischen Neuzugang der Esox-Staffel: Ensign Giovanni ‘Arrow’ Valdarno.
Arrow war ein gerade mal neunzehnjähriger, heranwachsender Atlanter italienischer Abstammung. Jung, unerfahren, und etwas schüchtern weiblichen Vorgesetzten gegenüber. Sehr zu Leidwesen seines männlichen Egos waren ausgerechnet innerhalb seiner ersten Staffel alle führenden Positionen mit Frauen besetzt.
„Mit der Zeit wird er sich daran gewöhnen müssen“, dachte der Commander. „Dieses schüchterne Rumgestottere schickt sich schließlich nicht für einen Soldaten der Föderation.“
Der Konvoi, den es schon seit einer ganzen Weile zu beschützen galt, bestand aus drei altersschwachen Versorgungsschiffen der Skamandros-Klasse, sowie vier leichten und zwei schweren Scouts der Atlantischen Föderation.
Beauvoir aktivierte mit einer knappen Bewegung ihres Unterkiefers das sensoraktive Kommunikationssystem ihres Tiefsee-U-Bootes. Sensoraktive Kommunikation konnte sich seit seiner Markteinführung vor einem Jahr in ganz Aqua immer größerer Beliebtheit erfreuen, da diese Form der handfreien Gesprächsführung es den Piloten erlaubte, sich auf das äußerst komplizierte Steuern in der Tiefsee zu konzentrieren. Dazu musste man sich nur den zwei Zentimeter großen Sendeemitter auf den Kehlkopf kleben und die richtige Frequenz einstellen.
„Esox-Staffelführer an Esox Zwei. Wie sieht es da draußen aus, Viper?“
Sofort erschien das Gesicht von Lieutenant Abigail Chambers, Rufzeichen Viper, als kleines Hologrammbild auf dem Heads-up-Display Beauvoirs. Der Lieutenant war eine dunkelhäutige, afroamerikanische Schönheit, mit schmalen Wangenknochen, spitzen Lippen und smaragdfarbenen Leopardenaugen.
Aus Respekt ihrer Familie gegenüber, die auf ein hochdekoriertes Mitglied des United States Marine Corps zurückging, das sich während des Exodus der Menschheit an Bord eines amerikanischen Evakuierungsbootes befand, rasierte sich die als so hart wie Vanadium geltende Viper täglich ihr seidiges, rabenschwarzes Haupthaar vom Kopf. Das Resultat war ein glattrasierter Schädel, der ihrem strengen Aussehen eine noch viel intensivere Schärfe verlieh. Der Commander wusste aber, dass unter dieser sehr rauen Schale auch eine äußerst sanftmütige Seele ruhte, die nur selten ans neonfarbene Licht Aquas trat.
„Alles ruhig, Ladyhawk. Wenn man nicht gerade in Atacama City rumhängt, ist der Ozean genauso tot wie sonst auch.“
Die etwas zynische Antwort überraschte die Staffelführerin überhaupt nicht. Babysitter für drei schwimmenden Särge und ihre widerliche Crew aus verdammten Halsabschneidern zu spielen, war alles andere als eine echte Herausforderung. Dazu war die geladene Fracht, Nahrungsmittel, Ersatzteile und sonstige Hilfsgüter für eine durch ein leichtes Seebeben beschädigte Konzernstation, viel zu unbedeutend. Das Brasilianische Becken lag sehr weit abseits von bevorzugten Kaperfahrtrouten der Anarchisten aus der Tornado Zone. Aufgaben wie der Geleitschutz für durchreisende Transportschiffe, sofern diese nicht lieber auf den professionellen Schutz durch Söldner zurückgriffen, gehörten nun mal zu den stinknormalen, langweiligen Routineaufträgen einer atlantischen Grenzschutzstaffel.
So war der Dienst entlang der Randzone nun einmal: spannend wie der senkrechte 9000 Meter Abstieg ins Milwaukeetief.
„Roger, Esox Zwei“, gab Beauvoir eine kurze Bestätigung.
„Versuche den armen Arrow nicht zu hart ranzunehmen.“
„Keine Sorge, Commander. Der packt das schon. Dafür werde ich sorgen. Ansonsten kann der Kleine was erleben.“
„Mag sein. Aber ich möchte keine Kratzspuren auf dem Lack unserer neuen Subs.“
„Roger. Sobald wir den nächsten Nav-Punkt erreichen, werden der Junior und ich backbord aus der Formation ausscheren und eine kleine Tiefenpatrouille an der äußeren Routenperipherie entlang fahren. Mal schauen, ob wir auf etwas Interessanteres als auf Sedimentwolken und POM stoßen. Over and Out“, meldete Viper sich pflichtbewusst ab.
Obwohl der Lieutenant es mit ziemlicher Sicherheit zu unterdrücken versuchte, hatte der Commander das leise Kichern in der ansonsten so schneidigen Stimme ihrer geschätzten Stellvertreterin heraushören können.
„Es scheint ihr ja Spaß zu machen, Valdarno herumscheuen zu dürfen“, grübelte Beauvoir leicht amüsiert. „Na ja, es ist ja auch eine willkommene Abwechslung.“
Beim Blick aus dem titanbeschichteten Hauptsichtfenster ihres Cockpits verflog ihre fröhliche Stimmung jedoch wieder. Der allgegenwärtige ‚Aqua Snow’, freischwebende Mikropartikel aus Algen, Fäkalien und lebenden Kleinstorganismen, begann sich aufgrund der langsamen Fahrt bereits zentimeterhoch auf der Panzerglasscheibe der großen Beobachtungskuppel und an den Rändern der kleinen, angrenzenden Bullaugen abzulagern. Die wachsende Menge POM, Particulate Organic Matter, die wie jedes Frühjahr aufgrund zahlloser Stürme und des daraus resultierenden schweren Seegangs mit einer Sinkrate von mehr als Einhundert Metern herabregnete, reduzierte die Sichtweite der frontal und seitlich angebrachten Scheinwerfer faktisch auf Null. Ein Umstand, der den Commander zutiefst deprimierte, da man die Fahrtrichtung nur noch grob schätzen konnte.
„Esox Zwei an Esox-Staffelführer. Hörst du mich, Mylady?“
Die Stimme ihres Flügelmannes riss Beauvoir aus ihren POM-getrübten Gedanken. Das holgraphische Bild des vollbärtigen, stets grimmig dreinblickende Lieutenant Franklin O’Hara, von seinen Freunden und Feinden nur ‚Bullneck’ genannt, erschien auf der Anzeige ihres auf Kopfhöhe befindlichen Displays. Sie musste beim Anblick von Bullnecks wilden, zotteligen, grobschlächtigen Äußeren breit Schmunzeln. Mit seinem für einen Föderationssoldaten untypischen Aussehen erinnerte er den Commander immer an einen Barbaren aus der antiken, längst vergessenen Oberflächenzeit. Außerdem passte er mit seinem muskelbepackten Zweimeterkörper kaum hinters Steuer.
„Roger, Bullneck. Was gibt es denn, Großer?“
„Wie lange soll dieser Kindergarten denn noch dauern? Wir vergeuden hier doch nur unsere Zeit. Komm, Lady, lass uns die Geschütze durchladen und abhauen. Soll Viper doch die Krabbelgruppe beaufsichtigen. Vielleicht finden wir ja zufällig irgendwo ein kleines Schmugglerversteck, das wir ausheben können.“
Beauvoir lachte laut auf. Die forsche Art ihres Flügelmannes und langjährigen Kameraden erheiterte sie immer wieder aufs Neue. Bullneck war für Grenzschutzaufgaben ungefähr so geschaffen wie ein Rudel Lightwaterjunkies.
„Ruhig, mein Großer. Ganz ruhig. Unsere Befehle sind klar und deutlich. Abgesehen von Vipers Aufklärung gibt es kein Ausbrechen aus der Formation. Ich wiederhole, Bullneck. Wir bleiben beim Konvoi.“
„Aber Mylady! Wie kannst du mir so etwas antun? Wir lagen gemeinsam vorm Sandwichgraben. Ich erinnere mich genau, wie dir damals ein hungriger Schwarm Bullsharks an deinem süßen Zuckerarsch hing, und ich...“
„Ich kenn die Geschichte“, unterbrach Beauvoir den vor sich hinbrummenden, alten Seebären. „Aber Befehl ist Befehl. Die Menschen in der Abrolhos-Station sind auf diese Hilfsgüter angewiesen. Sollte denen etwas zustoßen, wären die Folgen mit Sicherheit katastrophal.“
„Aber Commander, ich bin so scharf wie eine frisch polierte Lafette. Ich müsste unbedingt mein Torpedorohr mal wieder kräftig durchputzen lassen.“
„Was du in deiner Freizeit machst, Bull, ist deine Sache. Und auch wenn es dir in den Fingern juckt, ich sagte, Schluss jetzt! Das ist mein Ernst, Frank.“
Deutlich zerknirscht antwortete Esox Zwei nur: „Verstanden, Mylady.“ Bullneck war zwar ein ziemlicher Adrenalinjunkie, aber er würde es sich niemals mit Beauvoir verscherzen. Sie wusste, dass dieser irischstämmige Riese aufrechten Respekt und einen etwas übertriebenen Beschützerinstinkt ihr gegenüber hegte.
„Roger. Keine Sorge, Bull. Sind wir erst mal wieder Zuhause, spendiere ich dir eine Runde Korallenschnaps und dann reden wir über die guten, alten Zeiten.“
Für einen Moment kam keine Antwort aus dem Lautsprecher. Beauvoir konnte hören, wie das testosterongeladene Gehirn ihres Kameraden arbeitete.
„Roger, Commander. Es ist halt irgendwie nicht mehr so dasselbe wie früher. Ich wünschte, Gibraltar hätte seine Pforten zur Hölle noch geöffnet. Dann hätten wir jetzt schon jede Menge Spaß.“
Beauvoir erinnerte sich an die täglichen Piratenüberfalle aus deren gefürchteter Festung an den Säulen des Herkules. Doch mittlerweile war Gibraltar zerstört und geschliffen worden. Seine üblen, halsabschneiderischen Einwohner hatten sich in ganz Aqua verstreut. Seitdem waren Angriffe immer seltener geworden.
„Ich bin froh, dass wir diese Zeiten hinter uns haben. Im Ernst, ich sehne mich direkt nach etwas Ruhe und Frieden. Und jetzt gib Ruhe. Versuche dich ein wenig zu entspannen, Frank. Das ewige Kämpfen tut deinen verbliebenen, von zu vielen Acid Assassins weichgekochten Hirnzellen nicht besonders gut. Du brauchst dringend ein Hobby. Ladyhawk, Over and Out.“
Ein Blick auf die Kursanzeige des Navigationscomputers und das dargestellte Routen-Diagramm mit den gelben und blauen Icons verriet Beauvoir, dass sie sich noch eine andere Kleinigkeit zu kümmern hatte. Die Aufgaben eines kommandierenden Offiziers der Atlantischen Föderation schienen in letzter Zeit jedoch nur noch aus solchen Kleinigkeiten zu bestehen. Man musste heutzutage Augen und Ohren wirklich überall gleich-zeitig haben.
„Esox Vier und Fünf. Haltet Eure Positionen. Ihr weicht vom Kurs ab. Erneute Peilung auf den Transporter der Nachhut. Ich will keine unangenehme Überraschung da hinten erleben.“
„Roger, Commander“, bestätigten beiden Zwillingspilotinnen gleichzeitig. „Haben verstanden!“
Der Navigationscomputer zeigte, wie zwei kleine, schmale, blauen Icons ihre Richtung änderten, und sich langsam einem großen, langgezogenen, blauen Icon näherten. Beauvoir nickte zufrieden.
Michaela und Andrea Schneider waren beide als unerfahrene Rekrutinnen zur Esox-Staffel versetzt worden, als die Wogen des letzten Krieges sich langsam glätteten. Allerdings gab es zu dieser Zeit selbst im abgelegenen Brasilianischen Becken noch genug Grenzverletzungen, um die berüchtigte Feuertaufe zu vollziehen. Jeder Zwilling hatte mindestens einen Plünderer aus der Tornado Zone erfolgreich versenkt. Die Lieutenants Viper und Bullneck hatten jeder schon mehr als zwanzig Abschüsse verbucht. Damit galten beide als Veteranen. Beauvoir konnte die Anzahl besiegter Feinde schon nicht mehr zählen. Ihrer Meinung nach waren es ungefähr Fünfzig.
Als Geschwaderführerin setzte sie vollstes Vertrauen in jeden Einzelnen ihrer Piloten. Selbst Kind französischer Flüchtlinge, wusste der Commander, dass auf die beiden deutschen Mädels ganz besonders Verlass war. Seit ihrem Eintritt hatten die als bissig geltenden Zwillinge sie noch niemals bei irgendeiner Aufgabe enttäuscht. Sie waren diszipliniert und gründlich, und musste nur selten an ihren Auftrag erinnert werden.
Commander Beauvoir schaute auf den Chronometer neben der Steuerkonsole. Sie würden den vorgegebenen Nav-Punkt aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer halben Stunde Verspätung reichen, aber dies lag deutlich innerhalb akzeptabler Missions-parameter. Allerdings nur, wenn bei keinem der drei rostigen Schrottboote in Beauvoirs Kielwasser noch einmal eines der Hauptschubwerke ausfiel. Eine derartige Verzögerung würde den gesamten Einsatzplan über den Haufen werfen. Bereits fünfmal war es seit dem Abdocken von der Saint Paul Militärstation zu solchen unerwünschten, technischen Aussetzern gekommen. Jedes Mal hatte der Kapitän des für die Störung verantwortlichen Schiffes versprochen, dass solch eine ‚Lappalie’ nicht mehr vorkommen würde.
Der Commander bezweifelte diese Versprechen mittlerweile stark. Sie würde heilfroh sein, wenn sie die Eskorte dieser extrem heruntergekommenen Transportboote endlich hinter sich gebracht hatte. Der Umgang mit Zivilisten in Friedens-zeiten war ihr suspekt. Den meisten von ihnen fehlte es an den nötigen Respekt vor hart arbeitenden Militärs wie ihr. Und Frachterkapitäne waren nicht gerade für ihre galanten Umgangsformen bekannt. Einer Frau gegenüber schon gar nicht. Egal, ob und welche Uniform sie trug.
Zäh wie der langsam wieder in Fahrt kommende Golfstrom schleppten sich die Minuten dahin. Noch immer kam der Nav-Punkt nicht in Sicht.
„Viviane, wie lange dauert es noch bis zu den Rendezvouskoordinaten mit der Ablösung? Ich möchte diese seepocken-vernarbten Meeresschnecken endlich an den Sicherheitsdienst ihres Konzerns abgeben.“
„Noch sieben Stunden und dreizehn Nav-Punkte, Geneviève“, antwortete eine computergenierte Frauenstimme.
Commander Beauvoir verzog aufgrund des schneidenden Klangs, der da aus den Cockpitlautsprechern kam, das Gesicht. Sie hatte sich noch immer nicht an die Anwesenheit einer Künstlichen Intelligenz, die mit allen wesentlichen Teilen des Schiffes verbunden war, gewöhnen können. Insbesondere die offene, unbekümmerte Art der KI sie als Offizierin direkt mit Vornamen anzusprechen, missfiel dem Commander. Sie war eine distanziertere Umgangsform mit ihren Untergebenen gewöhnt. Viper und Bullneck waren aufgrund der langen, gemeinsamen Dienstzeit Ausnahmen. Man war zusammen durch die Feuer einer Schlacht gefahren. Aber ein Programm, dass sich diesen lockeren Ton erlaubte, traf einen empfindlichen Nerv.
„Gibt es ein Problem?“
„Nicht direkt. Aber nenne mich in Zukunft bei meinem Rang oder meinem Nachnamen.“
„Und warum?“
„Es gehört sich nicht, jemanden direkt beim Vornamen anzu-sprechen.“
„Aber du machst das doch auch mit mir.“
„KIs haben keine Nachnamen, Viviane.“
„Und eigentlich haben wir auch keine richtigen Vornamen. Du hast mir diesen Namen gegeben, als du dich das erste Mal an Bord eingeloggt hast.“
„So ist das nun mal vorgesehen.“
„Ich finde das nicht richtig. Wenn ich schon auf einen Namen hören muss, dann ist es nur gerecht, wenn ich dafür deinen Vornamen benutzen darf. Das macht die Kommunikation doch gleich viel einfacher und angenehmer, oder nicht?“
Beauvoir seufzte schwer. Sie beschloss, dem Programm seinen Eigenwillen zu lassen. Sich mit einer Künstlichen Intelligenz anzulegen, erschien ihr mehr als sinnlos.
„Ich gebe es auf. Du hast gewonnen. Mach dir keine Sorgen, Viv.“
„Ich mache mir keine Sorgen, Commander. Meine Sensoren zeigen, dass all deine Körperfunktionen innerhalb meines einprogrammierten Toleranzbereich liegen.“
„Ach, wirklich? Na, das beruhigt mich aber.“
„Allerdings erfasse ich einen beunruhigenden Rückgang der Aktivitäten deines Hypothalamus, sowie einen geringfügigen Mangel an Neurotransmittern.“
„Klingt ja furchtbar“, meinte Beauvoir spöttisch.
„Beunruhigt dich dieser Zustand denn nicht?“
Beauvoir schüttelte den Kopf. Sie erahnte, was nicht mit ihr stimmt. Um die neue KI nicht noch weiter in Verwirrung zu stürzen, erklärte sie: „Nein, Viv. Ich langweile mich.“
„Das verstehe ich nicht. Bitte um Erklärung.“
„Großartig. Jetzt muss ich noch Nachhilfestunden im sozialen Umgang zwischen Mensch und Maschine geben“, maulte der Commander innerlich.
„Ganz einfach, Viviane. Im Gegensatz zu Euch Maschinen hat der liebe Gott uns leider keinen Standby Modus eingebaut.“
„KIs sind keine Maschinen, Geneviève. Wir sind eine hochentwickelte Matrix komplexer Computerprogramme, die...“
„Ja, ja. Entschuldige, bitte. Habe ich vergessen. War nicht so gemeint. Ihr seid keine Maschinen. Ihr seid keine kaltblütigen Monster, die menschliches Leben bei lebendigen Leibe...“
Beauvoir schluckte angesichts einer aufkeimenden Erinnerung schwer. Erst jetzt erkannte sie den Grund für ihr anfangs unerklärliches Misstrauen der Künstlichen Intelligenz gegenüber.
„Geneviève, was hast du denn?“
„Es.... Es ist nichts. Tut mir leid, Viv. In mir kam nur etwas hoch.“
„Laut Sensoren ist der Zustand deiner Magensäure...“
Unbewusst winkte Beauvoir mit der behandschuhten Hand ab. Sie schüttelte den Kopf, woraufhin eine einzelne Strähne ihres aschblonden Haares trotz des schweren Pilotenhelms in ihr von einem abgedunkelten Vollvisier abgeschirmtes Gesichtsfeld rutschte.
„So habe ich das nicht gemeint. Ich habe mich nur plötzlich an etwas erinnert.“
„Und an was, wenn die Frage gestattet ist?“
Beauvoir schluckte den schweren Klos, der ihre Kehle hinauf-geklettert war, wieder herunter.
„Bionten, Viviane.“
„Bionten, Commander?“
„Ja, Bionten. Die Geißel der Menschheit...“
Allein der Klang dieses Namens sorgte dafür, dass sich sprich-wörtlich die Nackenhaare des Commanders sträubten. Sie war damals dabei gewesen. Sie hatte es gesehen. Und nichts, gar nichts hatte den furchtbaren Schrecken aus dieser Zeit ver-gessen machen können.
Bionten waren zum ersten Mal vor sechs Jahren überall in Aqua wie aus dem Nichts aufgetauchten, mit dem definierten Ziel die Spezies Mensch aus den Ozeanen zu tilgen. Seit Ende 2661, seit der Zerstörung des Survion, ihres Brückenkopfs vor Australien, war es verdächtig still um diesen geheimnisvollen Feind aller Menschen geworden.
Noch heute wusste niemand, um wen es sich eigentlich bei den Bionten in Wirklichkeit handelte. Es gab so gut wie keine Kommunikation zwischen ihren unheimlichen schwarzen Booten und dem Rest der Welt. Bestätigten Berichten zufolge loggten sich vereinzelt Bionten in die Bordcomputer einiger Schlachtschiffe ein und bekräftigten dort ihre Absicht, die Menschheit komplett auszulöschen, damit sie im Wasser, zu Lande und in der Luft an mehr Lebensraum gewännen. Eine rätselhafte Aussage, die dem Oberkommando der Atlantischen Föderation noch immer Kopfzerbrechen bereitete. Schließlich wusste jedes Kind in Aqua, dass das Land und die Luft an der Oberfläche für immer für Menschen verloren war.
„Im Krieg gegen diese abscheulichen Kreaturen diente ich an Bord eines leichten Kreuzers der Nereid-Klasse. Als wir eines Tages in einen Hinterhalt gerieten, musste ich dabei zusehen, wie alle meine Kameraden einer nach dem anderen von diesen schwarzen Teufeln abgeschossen wurden. Es waren Dämonen, Viviane. Dämonen aus einer abyssalen Hölle. Wir hatten keine Chance.“
„Aber wie hast du dann überleben können, wenn Euch euer Gegner so haushoch überlegen gewesen war?“
Commander Beauvoir lächelte grimmig. Ihr attraktives, kaum gealtertes Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Fratze.
„Wir sind geflohen. Wir sind geflohen und haben uns in den Canyons des Agulhas Ridge versteckt. Die dortigen Hotspots halfen uns dabei, unsere Verfolger abzuschütteln. Von diesem Moment an kämpfte wir ums nackte Überleben. Ständig vom Feind gehetzt, gelang es uns schließlich, uns in freundlichere Gewässer abzusetzen. Dabei verloren wir gut Zweidrittel der Crew, nahezu das gesamte Geschwader und unseren Kapitän. Ich war froh, dass wir es überhaupt zurückschafften.“
„Und die Bionten?“, wollte die neugierig gewordene Schiffs-KI wissen. In ihren Innersten Schaltkreisen knisterte es vor Spannung und Erwartung. Der Commander lehnte sicht etwas in ihren Pilotensessel zurück, hielt den Steuerhebel weiterhin ruhig in beiden Händen und schaute starr aus der vor sich befindlichen Beobachtungskuppel. Ihr Blick war auf das alles aufsaugende, dunkle Nichts des Meeres konzentriert. Mehr zu sich selbst als zu Viviane sprechend, setzte sie das Gespräch nach einer Weile doch noch fort.
„Nachdem es schließlich jemanden gelungen war, ein kleines Kampfschiff der Bionten zu Entern, war die Überraschung für alle Beteiligten im Oberkommando entsprechend groß: diese Boote hatten überhaupt keine Besatzung! Stell dir da mal vor, Viv. Scheinbar wurden sie alle nur von einer Art neuronalen Gewebestruktur, einem biotechnischen, rudimentärem Pseudo-gehirn, gesteuert.“
„Also eine biologischen Variante der Prozessormatrix von uns Künstlichen Intelligenzen!?“
„Komplexer, Viviane! Viel komplexer. Zumindest denke ich das. Im Grunde genommen verstehe ich nicht viel von solchen Sachen, aber nachdem was die Jungs von der Instandsetzungscrew erzählten, bestand das Maschinengehirn des Bionten nur aus motorischen und sensorischen Nervenzentren, was seine unglaublich schnellen Reflexe und Anpassungsmöglichkeiten im Kampf erklärte.“
„Laut meiner Datenbank, Commander, handelte es sich dabei um spezialisierte Gehirne ohne die geringsten menschliche Eigenschaften oder Charakteristika, dafür hocheffizient in den Bereichen Orientierung, Reaktionszeit, Geschwindigkeit und neurologisches Feedback. Zudem war es in der Lage, hochkomplexe Bewegungsabläufen im dreidimensionalen Raum auszuführen.“
Kalte Wut stieg angesichts dieser Zwischenbemerkung in der vor sich hinsinnierenden Offizierin auf.
„Du bescheuerte Konservendose, warum hast du nicht vorher erwähnt, dass du über eine komplette taktische Datenbank mit historischen Aufzeichnungen der Ereignisse verfügst?“
„Du hattest nicht gefragt.“
„Typische Maschinenlogik. Genauso wie diese Metallmonster. Total bescheuert“, beschwerte sich Commander Beauvoir mit einem zornigen Achselzucken, und musste aufpassen, wegen der Diskussion nicht versehentlich vom Kurs abzukommen.
Einige Minuten lang herrschte das große Schweigen. Die Vernichtung der Mutterstruktur im Survion, mit der alle Biontenschiffe auf der gesamten Welt offensichtlich in einer Art psionischen Zentralverbund vernetzt waren, galt als der entscheidende Schlag gegen diesen selbsternannten Erzfeind der Menschheit. Beauvoir lächelte zufrieden bei dem Gedanken an die bittere Niederlage ihres verhassten Feindes. Niemals würde sie den Anblick der hilflos im Wasser treibenden schwarzen Boote vergessen, die so lange Angst und Schrecken verbreitet hatten.
Es war ihr ein schon beinahe perverses Vergnügen gewesen, jedes dieser Ungeheuern so lange mit ultraheißen Plasmafeuer aus allen Rohren zu beharken, bis deren dunkle Außenhülle schlussendlich auseinanderbrach. Damals wie heute hätte sie jeden erdenklichen Eid darauf schwören können, eine Form von langgezogenen, kaum wahrnehmbaren Schrei vernommen zu haben, als jedes dieser verfluchten Drecksboote ohne den Schutz seiner massiven Panzerung vom Außendruck der Tiefsee zerquetscht wurde.
„Verdammter Geleitschutz. Dieses dröge Dahindümpeln lässt einen wirklich keinen klaren Gedanken fassen. Wenn ich noch weiter über diesen ganzen alten Quatsch nachdenke, verwandelt sich mein Hirn am Ende noch in flüssiges Sediment.“
Um sich von den finsteren Gedanken ihrer Vergangenheit abzulenken, fuhr Commander Beauvoir vorsichtig mit ihrem schlanken Finger eine auf einem kleinen Seitenmonitor ihrer breiten Steuerkonsole angezeigte Patrouillenstrecke entlang. Die Scouts der neuen Nereus- und Thaumakos-Klasse aus der Schiffswerft von Lockheed & Ingalls Constructions mussten den Konvoi bis zur Ablösung durch die Sicherheitskräfte des Konzerns, der die drei Versorgungsschiffe gechartert hatte, durch das brasilianische Becken bis zu den 350 Kilometer entfernten Ausläufern der Abrolhosbank eskortieren. Ziel der geladenen Fracht war ein sich dort in der Nähe befindliches Erzabbauhabitat.
New Martim Vaz, das größte Wohn- und Bergwerkhabitat im Brasilianischen Becken, konnte die kleineren Stationen der Region nicht ausreichend versorgen. Außerdem war die lokale Regierung von den reichen Zollerträge aus dem Warenverkehr zwischen Neopolis und dem freien Südatlantik abhängig. Ohne diese könnte die gesamte Region nicht lange überleben. Selbst in diesen chaotischen Zeiten, wo es an der Grenze zwar ruhig, aber im Kernaquatorium der Föderation heftig kochte, gab es noch genug Schiffe, welche die halbwegs sichere Nord-Süd-Route passierten.
Deswegen, und aufgrund der dauerhaften Militärpräsenz der Atlantischen Föderation im Brasilianischen Becken sorgte der Geleit einer handvoll atlantischer Scouts entlang des Meeres-bodens kaum noch für großes Aufsehen.
„Viv, check mal bitte die Außenbordsensorphalanx.“
„Oh, wir reden also wieder miteinander? Na, gut. Mir soll es recht sein. Ich bin ja nur eine Konservendose und habe nichts zu melden. Routentiefe 6152,8 Meter bei aktuell 603,3 Bar, Commander.“
Das Brasilianische Becken, ein unterhalb der zugewachsenen Meeresoberfläche des atlantischen Ozeans liegendes, in der Wissenschaft als geomorphisch klassifiziertes Becken, war an manchen Stellen bis zu 6.537 Meter tief und bestand aus einem sehr großen Nördlichen und einem kleinen Südlichen Becken. Es befand sich zwischen dem Südausläufer des Nordatlantischen Rückens im Norden, dem 7.730 Meter tiefen Romanchegraben im Nordosten, dem Nordausläufer des Südatlantischen Rückens im Osten, der Rio-Grande-Schwelle im Süden und dem südamerikanischen Kontinentalrand, sowie der Abrolhosbank im Westen.
„Hm“, brummte Beauvoir vor sich hin. Sie versuchte sich die Seekarte aus der Einsatzbesprechung ins Gedächtnis zu rufen. Abgesehen von vereinzelten Meerestiefen und Niederungen, die sie bequem umschiffen konnten, gab es kaum geomorphologische Hindernisse auf ihrer Route. Das gesamte Gebiet war genauso langweilig, wie der Auftrag an und für sich. Ein sehnsüchtiges Lächeln huschte kurz über Beauvoirs marmorhaftes Antlitz. Sie dachte an Zuhause.
„Viviane, ich schalte auf Autopilot.“
„Verstanden, Geneviève.“
„Du kannst mein Boot doch für eine halbe Stunde dem vorberechneten Kurs entlang steuern, oder?“
„Aber natürlich, Commander! Was für eine ungeheuerliche Beleidigung meiner herausragenden, kognitiven Fähigkeiten.“
Die KI schaffte es tatsächlich, so etwas wie echte Empörung in die vom Zentralrechner des Schiffes erzeugten, elektronisch verzehrten Wörter zu legen. Beauvoir grinste zufrieden.
Grummel, was soll denn dieser Nike Air Blödsinn? Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass auf diese Weise meine Geschichte wieder nach oben rutscht.
Apropo... Ich habe zwar nicht wirklich weitergeschrieben (weil zu viel Ablenkung), aber zumindest das erste Kapitel noch mal überarbeitet. Hier die Neufassung.
I.
In den Schulen von heute lehrte man die Kinder zuallererst, dass 29,3% der alten Erdoberfläche aus Landmasse bestand. 70,7% davon waren allerdings von Wasser bedeckt. 62% der Meere und Ozeane erreichten dabei eine Tiefe von mehr als 1000 Meter. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bildete diese als Tiefsee bekannte Region über die Hälfte des für Mensch und Tier nutzbaren Lebensraumes auf dem Planeten Erde.
Heutzutage hatte die Menschheit leider bereits den über der Wasseroberfläche befindlichen Teil verloren. Die Wiege des Homo Sapiens war durch seine unermessliche Gier leichtfertig aufs Spiel gesetzt worden. Und bis jetzt schien er nicht dazu geneigt, auf die verbliebenen zwei Drittel besser aufzupassen. In einer Welt, in die niemals das Licht der Sonne vordrang, waren Söldner und Soldaten gefragter denn je.
Commander Geneviève Marie Beauvoir stellte die isolineare, dreidimensionale Kursanzeige des Navigationscomputers ein weiteres Mal auf das Brasilianische Becken ein, verglich noch einmal das Gezeigte mit den im Zentralrechner gespeicherten Seekarten, überprüfte mit fachmännischen Blick zu guter Letzt Sonarschirm, Atemgas- und Tiefenmesser, und gönnte sich ein zufriedenes Nicken, als das Routen-Diagramm in Form einer handvoll gelb- und blaueingefärbter Icons auf ihrem Heads-up-Display erschien. Alles an Bord ihres Schiffes schien in einem optimalen Zustand zu sein.
„Esox-Staffelführer, alle melden“, befahl die Offizierin ruhig und sachlich den fünf anderen Piloten ihrer leichten Eskort- und Grenzschutzstaffel.
Das hydroakustische Signal ihrer sich unter Wasser mit 1480 m/s viermal so schnell ausbreitenden Stimme erreichte in Echtzeit die nur wenige Hundert Meter entfernten, gemächlich über den sandbedeckten Meeresboden dahindümpelnden Ziele. In mehr als 6000 Metern Tiefe waren die Umrisse der Boote für das menschliche Auge jedoch nicht mehr zu erkennen.
Keines der einzelnen Farbspektren des weißen Sonnenlichtes drangen tiefer als 300 Meter vor. Das war eine unumstößliche Tatsache. Deswegen konnten Schiffe in der Tiefsee nur mit Hilfe von Neonscheinwerfern für ihre menschlichen Piloten sichtbar gemacht werden. Und genau deswegen verließ sich der Großteil der Kampfpiloten unter Wasser allein auf die schematisierte Umgebungsanzeige eines Voxelsonars. Alles weitere wurde auf das moderne Heads-up-Display eines Steuercomputers projiziert.
Das waren die Bedingungen für ein Leben in einer Welt ewiger Finsternis.
Nach und nach trafen die einzelnen Bestätigungsmeldung der übrigen Mitglieder von Beauvoirs Staffel als aus den Lautsprechern der Sendeanlage abgespielte Audiobotschaften ein. Diese Anlage, samt dem dazugehörigen Kommunikationssystem und der entsprechenden Unterwasser-Software, war ein fest integrierter, überlebenswichtiger Bestandteil jedweder Cockpitausrüstung. Ohne ausreichende Kommunikation untereinander würden die einzelnen Boote der Staffel sich mit ziemlicher Sicherheit irgendwann gegenseitig über den Haufen fahren. Das Steuern eines Schiffes in einem dreidimensionalen Raum mit einer von Scheinwerfern ermöglichten Maximalsichtweite von rund zehn Metern war kein Kinderspiel. Dazu waren ein ausgezeichneter Orientierungssinn, schnelle Reflexe, eine gute Ausbildung und jede Menge Mut von Nöten. Wer nicht über diese Qualitäten verfügte, hatte am Steuerruder eines Kampf-U-Bootes nichts zu suchen.
Eine tiefe Männerstimme brummte: „Esox Zwei, bereit!“
Eine scharfe, weibliche Stimme meldete: „Esox Drei, bereit!“
Zwei weitere, deutlich jüngere Frauenstimmen meinten gleichzeitig: „Esox Vier und Fünf, bereit!“
Der Commander wunderte sich nicht im geringsten über die Synchronität dieser Doppelantwort. Bei den beiden Pilotinnen des aus Esox Vier und Esox Fünf bestehenden Schwarms ihrer Staffel handelte es sich nämlich um in ganz Aqua sehr selten gewordene eineiige Zwillingsschwestern.
„Esox Sechs“, ging die letzte Meldung mit einem sehr deutlich zu hörenden Schluckgeräusch dazwischen ein. „Bereit!“
Beauvoir schmunzelte wissend. In den letzten zwei Monaten hatte sie diesen Laut desöfteren vernommen. Diese als letzte eingehende Meldung kam vom frischen Neuzugang der Esox-Staffel: Ensign Giovanni ‘Arrow’ Valdarno.
Arrow war ein gerade mal neunzehnjähriger, heranwachsender Atlanter italienischer Abstammung. Jung, unerfahren, und etwas schüchtern weiblichen Vorgesetzten gegenüber. Sehr zu Leidwesen seines männlichen Egos waren ausgerechnet innerhalb seiner ersten Staffel alle führenden Positionen mit Frauen besetzt.
„Mit der Zeit wird er sich daran gewöhnen müssen“, dachte der Commander. „Dieses schüchterne Rumgestottere schickt sich schließlich nicht für einen Soldaten der Föderation.“
Der Konvoi, den es schon seit einer ganzen Weile zu beschützen galt, bestand aus drei altersschwachen Versorgungsschiffen der Skamandros-Klasse, sowie vier leichten und zwei schweren Scouts der Atlantischen Föderation.
Beauvoir aktivierte mit einer knappen Bewegung ihres Unterkiefers das sensoraktive Kommunikationssystem ihres Tiefsee-U-Bootes. Sensoraktive Kommunikation konnte sich seit seiner Markteinführung vor einem Jahr in ganz Aqua immer größerer Beliebtheit erfreuen, da diese Form der handfreien Gesprächsführung es den Piloten erlaubte, sich auf das äußerst komplizierte Steuern in der Tiefsee zu konzentrieren. Dazu musste man sich nur den zwei Zentimeter großen Sendeemitter auf den Kehlkopf kleben und die richtige Frequenz einstellen.
„Esox-Staffelführer an Esox Zwei. Wie sieht es da draußen aus, Viper?“
Sofort erschien das Gesicht von Lieutenant Abigail Chambers, Rufzeichen Viper, als kleines Hologrammbild auf dem Heads-up-Display Beauvoirs. Der Lieutenant war eine dunkelhäutige, afroamerikanische Schönheit, mit schmalen Wangenknochen, spitzen Lippen und smaragdfarbenen Leopardenaugen.
Aus Respekt ihrer Familie gegenüber, die auf ein hochdekoriertes Mitglied des United States Marine Corps zurückging, das sich während des Exodus der Menschheit an Bord eines amerikanischen Evakuierungsbootes befand, rasierte sich die als so hart wie Vanadium geltende Viper täglich ihr seidiges, rabenschwarzes Haupthaar vom Kopf. Das Resultat war ein glattrasierter Schädel, der ihrem strengen Aussehen eine noch viel intensivere Schärfe verlieh. Der Commander wusste aber, dass unter dieser sehr rauen Schale auch eine äußerst sanftmütige Seele ruhte, die nur selten ans neonfarbene Licht Aquas trat.
„Alles ruhig, Ladyhawk. Wenn man nicht gerade in Atacama City rumhängt, ist der Ozean genauso tot wie sonst auch.“
Die etwas zynische Antwort überraschte die Staffelführerin überhaupt nicht. Babysitter für drei schwimmenden Särge und ihre widerliche Crew aus verdammten Halsabschneidern zu spielen, war alles andere als eine echte Herausforderung. Dazu war die geladene Fracht, Nahrungsmittel, Ersatzteile und sonstige Hilfsgüter für eine durch ein leichtes Seebeben beschädigte Konzernstation, viel zu unbedeutend. Das Brasilianische Becken lag sehr weit abseits von bevorzugten Kaperfahrtrouten der Anarchisten aus der Tornado Zone. Aufgaben wie der Geleitschutz für durchreisende Transportschiffe, sofern diese nicht lieber auf den professionellen Schutz durch Söldner zurückgriffen, gehörten nun mal zu den stinknormalen, langweiligen Routineaufträgen einer atlantischen Grenzschutzstaffel.
So war der Dienst entlang der Randzone nun einmal: spannend wie der senkrechte 9000 Meter Abstieg ins Milwaukeetief.
„Roger, Esox Zwei“, gab Beauvoir eine kurze Bestätigung.
„Versuche den armen Arrow nicht zu hart ranzunehmen.“
„Keine Sorge, Commander. Der packt das schon. Dafür werde ich sorgen. Ansonsten kann der Kleine was erleben.“
„Mag sein. Aber ich möchte keine Kratzspuren auf dem Lack unserer neuen Subs.“
„Roger. Sobald wir den nächsten Nav-Punkt erreichen, werden der Junior und ich backbord aus der Formation ausscheren und eine kleine Tiefenpatrouille an der äußeren Routenperipherie entlang fahren. Mal schauen, ob wir auf etwas Interessanteres als auf Sedimentwolken und POM stoßen. Over and Out“, meldete Viper sich pflichtbewusst ab.
Obwohl der Lieutenant es mit ziemlicher Sicherheit zu unterdrücken versuchte, hatte der Commander das leise Kichern in der ansonsten so schneidigen Stimme ihrer geschätzten Stellvertreterin heraushören können.
„Es scheint ihr ja Spaß zu machen, Valdarno herumscheuen zu dürfen“, grübelte Beauvoir leicht amüsiert. „Na ja, es ist ja auch eine willkommene Abwechslung.“
Beim Blick aus dem titanbeschichteten Hauptsichtfenster ihres Cockpits verflog ihre fröhliche Stimmung jedoch wieder. Der allgegenwärtige ‚Aqua Snow’, freischwebende Mikropartikel aus Algen, Fäkalien und lebenden Kleinstorganismen, begann sich aufgrund der langsamen Fahrt bereits zentimeterhoch auf der Panzerglasscheibe der großen Beobachtungskuppel und an den Rändern der kleinen, angrenzenden Bullaugen abzulagern. Die wachsende Menge POM, Particulate Organic Matter, die wie jedes Frühjahr aufgrund zahlloser Stürme und des daraus resultierenden schweren Seegangs mit einer Sinkrate von mehr als Einhundert Metern herabregnete, reduzierte die Sichtweite der frontal und seitlich angebrachten Scheinwerfer faktisch auf Null. Ein Umstand, der den Commander zutiefst deprimierte, da man die Fahrtrichtung nur noch grob schätzen konnte.
„Esox Zwei an Esox-Staffelführer. Hörst du mich, Mylady?“
Die Stimme ihres Flügelmannes riss Beauvoir aus ihren POM-getrübten Gedanken. Das holgraphische Bild des vollbärtigen, stets grimmig dreinblickende Lieutenant Franklin O’Hara, von seinen Freunden und Feinden nur ‚Bullneck’ genannt, erschien auf der Anzeige ihres auf Kopfhöhe befindlichen Displays. Sie musste beim Anblick von Bullnecks wilden, zotteligen, grobschlächtigen Äußeren breit Schmunzeln. Mit seinem für einen Föderationssoldaten untypischen Aussehen erinnerte er den Commander immer an einen Barbaren aus der antiken, längst vergessenen Oberflächenzeit. Außerdem passte er mit seinem muskelbepackten Zweimeterkörper kaum hinters Steuer.
„Roger, Bullneck. Was gibt es denn, Großer?“
„Wie lange soll dieser Kindergarten denn noch dauern? Wir vergeuden hier doch nur unsere Zeit. Komm, Lady, lass uns die Geschütze durchladen und abhauen. Soll Viper doch die Krabbelgruppe beaufsichtigen. Vielleicht finden wir ja zufällig irgendwo ein kleines Schmugglerversteck, das wir ausheben können.“
Beauvoir lachte laut auf. Die forsche Art ihres Flügelmannes und langjährigen Kameraden erheiterte sie immer wieder aufs Neue. Bullneck war für Grenzschutzaufgaben ungefähr so geschaffen wie ein Rudel Lightwaterjunkies.
„Ruhig, mein Großer. Ganz ruhig. Unsere Befehle sind klar und deutlich. Abgesehen von Vipers Aufklärung gibt es kein Ausbrechen aus der Formation. Ich wiederhole, Bullneck. Wir bleiben beim Konvoi.“
„Aber Mylady! Wie kannst du mir so etwas antun? Wir lagen gemeinsam vorm Sandwichgraben. Ich erinnere mich genau, wie dir damals ein hungriger Schwarm Bullsharks an deinem süßen Zuckerarsch hing, und ich...“
„Ich kenn die Geschichte“, unterbrach Beauvoir den vor sich hinbrummenden, alten Seebären. „Aber Befehl ist Befehl. Die Menschen in der Abrolhos-Station sind auf diese Hilfsgüter angewiesen. Sollte denen etwas zustoßen, wären die Folgen mit Sicherheit katastrophal.“
„Aber Commander, ich bin so scharf wie eine frisch polierte Lafette. Ich müsste unbedingt mein Torpedorohr mal wieder kräftig durchputzen lassen.“
„Was du in deiner Freizeit machst, Bull, ist deine Sache. Und auch wenn es dir in den Fingern juckt, ich sagte, Schluss jetzt! Das ist mein Ernst, Frank.“
Deutlich zerknirscht antwortete Esox Zwei nur: „Verstanden, Mylady.“ Bullneck war zwar ein ziemlicher Adrenalinjunkie, aber er würde es sich niemals mit Beauvoir verscherzen. Sie wusste, dass dieser irischstämmige Riese aufrechten Respekt und einen etwas übertriebenen Beschützerinstinkt ihr gegenüber hegte.
„Roger. Keine Sorge, Bull. Sind wir erst mal wieder Zuhause, spendiere ich dir eine Runde Korallenschnaps und dann reden wir über die guten, alten Zeiten.“
Für einen Moment kam keine Antwort aus dem Lautsprecher. Beauvoir konnte hören, wie das testosterongeladene Gehirn ihres Kameraden arbeitete.
„Roger, Commander. Es ist halt irgendwie nicht mehr so dasselbe wie früher. Ich wünschte, Gibraltar hätte seine Pforten zur Hölle noch geöffnet. Dann hätten wir jetzt schon jede Menge Spaß.“
Beauvoir erinnerte sich an die täglichen Piratenüberfalle aus deren gefürchteter Festung an den Säulen des Herkules. Doch mittlerweile war Gibraltar zerstört und geschliffen worden. Seine üblen, halsabschneiderischen Einwohner hatten sich in ganz Aqua verstreut. Seitdem waren Angriffe immer seltener geworden.
„Ich bin froh, dass wir diese Zeiten hinter uns haben. Im Ernst, ich sehne mich direkt nach etwas Ruhe und Frieden. Und jetzt gib Ruhe. Versuche dich ein wenig zu entspannen, Frank. Das ewige Kämpfen tut deinen verbliebenen, von zu vielen Acid Assassins weichgekochten Hirnzellen nicht besonders gut. Du brauchst dringend ein Hobby. Ladyhawk, Over and Out.“
Ein Blick auf die Kursanzeige des Navigationscomputers und das dargestellte Routen-Diagramm mit den gelben und blauen Icons verriet Beauvoir, dass sie sich noch eine andere Kleinigkeit zu kümmern hatte. Die Aufgaben eines kommandierenden Offiziers der Atlantischen Föderation schienen in letzter Zeit jedoch nur noch aus solchen Kleinigkeiten zu bestehen. Man musste heutzutage Augen und Ohren wirklich überall gleich-zeitig haben.
„Esox Vier und Fünf. Haltet Eure Positionen. Ihr weicht vom Kurs ab. Erneute Peilung auf den Transporter der Nachhut. Ich will keine unangenehme Überraschung da hinten erleben.“
„Roger, Commander“, bestätigten beiden Zwillingspilotinnen gleichzeitig. „Haben verstanden!“
Der Navigationscomputer zeigte, wie zwei kleine, schmale, blauen Icons ihre Richtung änderten, und sich langsam einem großen, langgezogenen, blauen Icon näherten. Beauvoir nickte zufrieden.
Michaela und Andrea Schneider waren beide als unerfahrene Rekrutinnen zur Esox-Staffel versetzt worden, als die Wogen des letzten Krieges sich langsam glätteten. Allerdings gab es zu dieser Zeit selbst im abgelegenen Brasilianischen Becken noch genug Grenzverletzungen, um die berüchtigte Feuertaufe zu vollziehen. Jeder Zwilling hatte mindestens einen Plünderer aus der Tornado Zone erfolgreich versenkt. Die Lieutenants Viper und Bullneck hatten jeder schon mehr als zwanzig Abschüsse verbucht. Damit galten beide als Veteranen. Beauvoir konnte die Anzahl besiegter Feinde schon nicht mehr zählen. Ihrer Meinung nach waren es ungefähr Fünfzig.
Als Geschwaderführerin setzte sie vollstes Vertrauen in jeden Einzelnen ihrer Piloten. Selbst Kind französischer Flüchtlinge, wusste der Commander, dass auf die beiden deutschen Mädels ganz besonders Verlass war. Seit ihrem Eintritt hatten die als bissig geltenden Zwillinge sie noch niemals bei irgendeiner Aufgabe enttäuscht. Sie waren diszipliniert und gründlich, und musste nur selten an ihren Auftrag erinnert werden.
Commander Beauvoir schaute auf den Chronometer neben der Steuerkonsole. Sie würden den vorgegebenen Nav-Punkt aller Wahrscheinlichkeit nach mit einer halben Stunde Verspätung reichen, aber dies lag deutlich innerhalb akzeptabler Missions-parameter. Allerdings nur, wenn bei keinem der drei rostigen Schrottboote in Beauvoirs Kielwasser noch einmal eines der Hauptschubwerke ausfiel. Eine derartige Verzögerung würde den gesamten Einsatzplan über den Haufen werfen. Bereits fünfmal war es seit dem Abdocken von der Saint Paul Militärstation zu solchen unerwünschten, technischen Aussetzern gekommen. Jedes Mal hatte der Kapitän des für die Störung verantwortlichen Schiffes versprochen, dass solch eine ‚Lappalie’ nicht mehr vorkommen würde.
Der Commander bezweifelte diese Versprechen mittlerweile stark. Sie würde heilfroh sein, wenn sie die Eskorte dieser extrem heruntergekommenen Transportboote endlich hinter sich gebracht hatte. Der Umgang mit Zivilisten in Friedens-zeiten war ihr suspekt. Den meisten von ihnen fehlte es an den nötigen Respekt vor hart arbeitenden Militärs wie ihr. Und Frachterkapitäne waren nicht gerade für ihre galanten Umgangsformen bekannt. Einer Frau gegenüber schon gar nicht. Egal, ob und welche Uniform sie trug.
Zäh wie der langsam wieder in Fahrt kommende Golfstrom schleppten sich die Minuten dahin. Noch immer kam der Nav-Punkt nicht in Sicht.
„Viviane, wie lange dauert es noch bis zu den Rendezvouskoordinaten mit der Ablösung? Ich möchte diese seepocken-vernarbten Meeresschnecken endlich an den Sicherheitsdienst ihres Konzerns abgeben.“
„Noch sieben Stunden und dreizehn Nav-Punkte, Geneviève“, antwortete eine computergenierte Frauenstimme.
Commander Beauvoir verzog aufgrund des schneidenden Klangs, der da aus den Cockpitlautsprechern kam, das Gesicht. Sie hatte sich noch immer nicht an die Anwesenheit einer Künstlichen Intelligenz, die mit allen wesentlichen Teilen des Schiffes verbunden war, gewöhnen können. Insbesondere die offene, unbekümmerte Art der KI sie als Offizierin direkt mit Vornamen anzusprechen, missfiel dem Commander. Sie war eine distanziertere Umgangsform mit ihren Untergebenen gewöhnt. Viper und Bullneck waren aufgrund der langen, gemeinsamen Dienstzeit Ausnahmen. Man war zusammen durch die Feuer einer Schlacht gefahren. Aber ein Programm, dass sich diesen lockeren Ton erlaubte, traf einen empfindlichen Nerv.
„Gibt es ein Problem?“
„Nicht direkt. Aber nenne mich in Zukunft bei meinem Rang oder meinem Nachnamen.“
„Und warum?“
„Es gehört sich nicht, jemanden direkt beim Vornamen anzu-sprechen.“
„Aber du machst das doch auch mit mir.“
„KIs haben keine Nachnamen, Viviane.“
„Und eigentlich haben wir auch keine richtigen Vornamen. Du hast mir diesen Namen gegeben, als du dich das erste Mal an Bord eingeloggt hast.“
„So ist das nun mal vorgesehen.“
„Ich finde das nicht richtig. Wenn ich schon auf einen Namen hören muss, dann ist es nur gerecht, wenn ich dafür deinen Vornamen benutzen darf. Das macht die Kommunikation doch gleich viel einfacher und angenehmer, oder nicht?“
Beauvoir seufzte schwer. Sie beschloss, dem Programm seinen Eigenwillen zu lassen. Sich mit einer Künstlichen Intelligenz anzulegen, erschien ihr mehr als sinnlos.
„Ich gebe es auf. Du hast gewonnen. Mach dir keine Sorgen, Viv.“
„Ich mache mir keine Sorgen, Commander. Meine Sensoren zeigen, dass all deine Körperfunktionen innerhalb meines einprogrammierten Toleranzbereich liegen.“
„Ach, wirklich? Na, das beruhigt mich aber.“
„Allerdings erfasse ich einen beunruhigenden Rückgang der Aktivitäten deines Hypothalamus, sowie einen geringfügigen Mangel an Neurotransmittern.“
„Klingt ja furchtbar“, meinte Beauvoir spöttisch.
„Beunruhigt dich dieser Zustand denn nicht?“
Beauvoir schüttelte den Kopf. Sie erahnte, was nicht mit ihr stimmt. Um die neue KI nicht noch weiter in Verwirrung zu stürzen, erklärte sie: „Nein, Viv. Ich langweile mich.“
„Das verstehe ich nicht. Bitte um Erklärung.“
„Großartig. Jetzt muss ich noch Nachhilfestunden im sozialen Umgang zwischen Mensch und Maschine geben“, maulte der Commander innerlich.
„Ganz einfach, Viviane. Im Gegensatz zu Euch Maschinen hat der liebe Gott uns leider keinen Standby Modus eingebaut.“
„KIs sind keine Maschinen, Geneviève. Wir sind eine hochentwickelte Matrix komplexer Computerprogramme, die...“
„Ja, ja. Entschuldige, bitte. Habe ich vergessen. War nicht so gemeint. Ihr seid keine Maschinen. Ihr seid keine kaltblütigen Monster, die menschliches Leben bei lebendigen Leibe...“
Beauvoir schluckte angesichts einer aufkeimenden Erinnerung schwer. Erst jetzt erkannte sie den Grund für ihr anfangs unerklärliches Misstrauen der Künstlichen Intelligenz gegenüber.
„Geneviève, was hast du denn?“
„Es.... Es ist nichts. Tut mir leid, Viv. In mir kam nur etwas hoch.“
„Laut Sensoren ist der Zustand deiner Magensäure...“
Unbewusst winkte Beauvoir mit der behandschuhten Hand ab. Sie schüttelte den Kopf, woraufhin eine einzelne Strähne ihres aschblonden Haares trotz des schweren Pilotenhelms in ihr von einem abgedunkelten Vollvisier abgeschirmtes Gesichtsfeld rutschte.
„So habe ich das nicht gemeint. Ich habe mich nur plötzlich an etwas erinnert.“
„Und an was, wenn die Frage gestattet ist?“
Beauvoir schluckte den schweren Klos, der ihre Kehle hinauf-geklettert war, wieder herunter.
„Bionten, Viviane.“
„Bionten, Commander?“
„Ja, Bionten. Die Geißel der Menschheit...“
Allein der Klang dieses Namens sorgte dafür, dass sich sprich-wörtlich die Nackenhaare des Commanders sträubten. Sie war damals dabei gewesen. Sie hatte es gesehen. Und nichts, gar nichts hatte den furchtbaren Schrecken aus dieser Zeit ver-gessen machen können.
Bionten waren zum ersten Mal vor sechs Jahren überall in Aqua wie aus dem Nichts aufgetauchten, mit dem definierten Ziel die Spezies Mensch aus den Ozeanen zu tilgen. Seit Ende 2661, seit der Zerstörung des Survion, ihres Brückenkopfs vor Australien, war es verdächtig still um diesen geheimnisvollen Feind aller Menschen geworden.
Noch heute wusste niemand, um wen es sich eigentlich bei den Bionten in Wirklichkeit handelte. Es gab so gut wie keine Kommunikation zwischen ihren unheimlichen schwarzen Booten und dem Rest der Welt. Bestätigten Berichten zufolge loggten sich vereinzelt Bionten in die Bordcomputer einiger Schlachtschiffe ein und bekräftigten dort ihre Absicht, die Menschheit komplett auszulöschen, damit sie im Wasser, zu Lande und in der Luft an mehr Lebensraum gewännen. Eine rätselhafte Aussage, die dem Oberkommando der Atlantischen Föderation noch immer Kopfzerbrechen bereitete. Schließlich wusste jedes Kind in Aqua, dass das Land und die Luft an der Oberfläche für immer für Menschen verloren war.
„Im Krieg gegen diese abscheulichen Kreaturen diente ich an Bord eines leichten Kreuzers der Nereid-Klasse. Als wir eines Tages in einen Hinterhalt gerieten, musste ich dabei zusehen, wie alle meine Kameraden einer nach dem anderen von diesen schwarzen Teufeln abgeschossen wurden. Es waren Dämonen, Viviane. Dämonen aus einer abyssalen Hölle. Wir hatten keine Chance.“
„Aber wie hast du dann überleben können, wenn Euch euer Gegner so haushoch überlegen gewesen war?“
Commander Beauvoir lächelte grimmig. Ihr attraktives, kaum gealtertes Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Fratze.
„Wir sind geflohen. Wir sind geflohen und haben uns in den Canyons des Agulhas Ridge versteckt. Die dortigen Hotspots halfen uns dabei, unsere Verfolger abzuschütteln. Von diesem Moment an kämpfte wir ums nackte Überleben. Ständig vom Feind gehetzt, gelang es uns schließlich, uns in freundlichere Gewässer abzusetzen. Dabei verloren wir gut Zweidrittel der Crew, nahezu das gesamte Geschwader und unseren Kapitän. Ich war froh, dass wir es überhaupt zurückschafften.“
„Und die Bionten?“, wollte die neugierig gewordene Schiffs-KI wissen. In ihren Innersten Schaltkreisen knisterte es vor Spannung und Erwartung. Der Commander lehnte sicht etwas in ihren Pilotensessel zurück, hielt den Steuerhebel weiterhin ruhig in beiden Händen und schaute starr aus der vor sich befindlichen Beobachtungskuppel. Ihr Blick war auf das alles aufsaugende, dunkle Nichts des Meeres konzentriert. Mehr zu sich selbst als zu Viviane sprechend, setzte sie das Gespräch nach einer Weile doch noch fort.
„Nachdem es schließlich jemanden gelungen war, ein kleines Kampfschiff der Bionten zu Entern, war die Überraschung für alle Beteiligten im Oberkommando entsprechend groß: diese Boote hatten überhaupt keine Besatzung! Stell dir da mal vor, Viv. Scheinbar wurden sie alle nur von einer Art neuronalen Gewebestruktur, einem biotechnischen, rudimentärem Pseudo-gehirn, gesteuert.“
„Also eine biologischen Variante der Prozessormatrix von uns Künstlichen Intelligenzen!?“
„Komplexer, Viviane! Viel komplexer. Zumindest denke ich das. Im Grunde genommen verstehe ich nicht viel von solchen Sachen, aber nachdem was die Jungs von der Instandsetzungscrew erzählten, bestand das Maschinengehirn des Bionten nur aus motorischen und sensorischen Nervenzentren, was seine unglaublich schnellen Reflexe und Anpassungsmöglichkeiten im Kampf erklärte.“
„Laut meiner Datenbank, Commander, handelte es sich dabei um spezialisierte Gehirne ohne die geringsten menschliche Eigenschaften oder Charakteristika, dafür hocheffizient in den Bereichen Orientierung, Reaktionszeit, Geschwindigkeit und neurologisches Feedback. Zudem war es in der Lage, hochkomplexe Bewegungsabläufen im dreidimensionalen Raum auszuführen.“
Kalte Wut stieg angesichts dieser Zwischenbemerkung in der vor sich hinsinnierenden Offizierin auf.
„Du bescheuerte Konservendose, warum hast du nicht vorher erwähnt, dass du über eine komplette taktische Datenbank mit historischen Aufzeichnungen der Ereignisse verfügst?“
„Du hattest nicht gefragt.“
„Typische Maschinenlogik. Genauso wie diese Metallmonster. Total bescheuert“, beschwerte sich Commander Beauvoir mit einem zornigen Achselzucken, und musste aufpassen, wegen der Diskussion nicht versehentlich vom Kurs abzukommen.
Einige Minuten lang herrschte das große Schweigen. Die Vernichtung der Mutterstruktur im Survion, mit der alle Biontenschiffe auf der gesamten Welt offensichtlich in einer Art psionischen Zentralverbund vernetzt waren, galt als der entscheidende Schlag gegen diesen selbsternannten Erzfeind der Menschheit. Beauvoir lächelte zufrieden bei dem Gedanken an die bittere Niederlage ihres verhassten Feindes. Niemals würde sie den Anblick der hilflos im Wasser treibenden schwarzen Boote vergessen, die so lange Angst und Schrecken verbreitet hatten.
Es war ihr ein schon beinahe perverses Vergnügen gewesen, jedes dieser Ungeheuern so lange mit ultraheißen Plasmafeuer aus allen Rohren zu beharken, bis deren dunkle Außenhülle schlussendlich auseinanderbrach. Damals wie heute hätte sie jeden erdenklichen Eid darauf schwören können, eine Form von langgezogenen, kaum wahrnehmbaren Schrei vernommen zu haben, als jedes dieser verfluchten Drecksboote ohne den Schutz seiner massiven Panzerung vom Außendruck der Tiefsee zerquetscht wurde.
„Verdammter Geleitschutz. Dieses dröge Dahindümpeln lässt einen wirklich keinen klaren Gedanken fassen. Wenn ich noch weiter über diesen ganzen alten Quatsch nachdenke, verwandelt sich mein Hirn am Ende noch in flüssiges Sediment.“
Um sich von den finsteren Gedanken ihrer Vergangenheit abzulenken, fuhr Commander Beauvoir vorsichtig mit ihrem schlanken Finger eine auf einem kleinen Seitenmonitor ihrer breiten Steuerkonsole angezeigte Patrouillenstrecke entlang. Die Scouts der neuen Nereus- und Thaumakos-Klasse aus der Schiffswerft von Lockheed & Ingalls Constructions mussten den Konvoi bis zur Ablösung durch die Sicherheitskräfte des Konzerns, der die drei Versorgungsschiffe gechartert hatte, durch das brasilianische Becken bis zu den 350 Kilometer entfernten Ausläufern der Abrolhosbank eskortieren. Ziel der geladenen Fracht war ein sich dort in der Nähe befindliches Erzabbauhabitat.
New Martim Vaz, das größte Wohn- und Bergwerkhabitat im Brasilianischen Becken, konnte die kleineren Stationen der Region nicht ausreichend versorgen. Außerdem war die lokale Regierung von den reichen Zollerträge aus dem Warenverkehr zwischen Neopolis und dem freien Südatlantik abhängig. Ohne diese könnte die gesamte Region nicht lange überleben. Selbst in diesen chaotischen Zeiten, wo es an der Grenze zwar ruhig, aber im Kernaquatorium der Föderation heftig kochte, gab es noch genug Schiffe, welche die halbwegs sichere Nord-Süd-Route passierten.
Deswegen, und aufgrund der dauerhaften Militärpräsenz der Atlantischen Föderation im Brasilianischen Becken sorgte der Geleit einer handvoll atlantischer Scouts entlang des Meeres-bodens kaum noch für großes Aufsehen.
„Viv, check mal bitte die Außenbordsensorphalanx.“
„Oh, wir reden also wieder miteinander? Na, gut. Mir soll es recht sein. Ich bin ja nur eine Konservendose und habe nichts zu melden. Routentiefe 6152,8 Meter bei aktuell 603,3 Bar, Commander.“
Das Brasilianische Becken, ein unterhalb der zugewachsenen Meeresoberfläche des atlantischen Ozeans liegendes, in der Wissenschaft als geomorphisch klassifiziertes Becken, war an manchen Stellen bis zu 6.537 Meter tief und bestand aus einem sehr großen Nördlichen und einem kleinen Südlichen Becken. Es befand sich zwischen dem Südausläufer des Nordatlantischen Rückens im Norden, dem 7.730 Meter tiefen Romanchegraben im Nordosten, dem Nordausläufer des Südatlantischen Rückens im Osten, der Rio-Grande-Schwelle im Süden und dem südamerikanischen Kontinentalrand, sowie der Abrolhosbank im Westen.
„Hm“, brummte Beauvoir vor sich hin. Sie versuchte sich die Seekarte aus der Einsatzbesprechung ins Gedächtnis zu rufen. Abgesehen von vereinzelten Meerestiefen und Niederungen, die sie bequem umschiffen konnten, gab es kaum geomorphologische Hindernisse auf ihrer Route. Das gesamte Gebiet war genauso langweilig, wie der Auftrag an und für sich. Ein sehnsüchtiges Lächeln huschte kurz über Beauvoirs marmorhaftes Antlitz. Sie dachte an Zuhause.
„Viviane, ich schalte auf Autopilot.“
„Verstanden, Geneviève.“
„Du kannst mein Boot doch für eine halbe Stunde dem vorberechneten Kurs entlang steuern, oder?“
„Aber natürlich, Commander! Was für eine ungeheuerliche Beleidigung meiner herausragenden, kognitiven Fähigkeiten.“
Die KI schaffte es tatsächlich, so etwas wie echte Empörung in die vom Zentralrechner des Schiffes erzeugten, elektronisch verzehrten Wörter zu legen. Beauvoir grinste zufrieden.
Chef des privaten Wachdienst Watchmen - Neopolis - Atlantische Föderation
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Re: Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)
Liest sich gut;)
vlt grabe ich meine g
Geschichte auch mal wieder aus...
vlt grabe ich meine g
Geschichte auch mal wieder aus...
Man sollte der Gefahr nicht ins Auge sehen, wichtiger ist, sie im Auge zu behalten!!!